Seit Tagen mache ich mir Gedanken über das Ärgern. Die Kaltmamsell hat mich drauf gebracht. Früher habe ich mich immer sehr geärgert, über ganz vieles. Es gab dann zwei Wege. Der erste war, dass ich nach dem Ärgern sofort explodiert bin. Ärger ist halt mit einem Impuls zum Handeln verbunden. Der andere Weg war, dass ich den Ärger in mich rein gefressen habe. Sowohl das sinnlose Explodieren als auch das In-mich-rein-fressen, ärgerten mich wieder. Es macht mich richtig unzufrieden.
Ich habe mich denn umgeschaut und festgestellt, dass es Menschen gibt, die sich augenscheinlich nicht ärgern. Ich hatte eine ältere Kollegin, die ärgert sich nur nach außen wenn genug Leute zuschauten. Zuerst begriff ich die Strategie nicht, bis ich feststellte, dass wenn sie sich lautstark erklärte vor Publikum, danach tatsächlich eine Veränderung eintrat. Weil nämlich genug Leute zuhörten, die sich dann dachten: eigentlich hat sie recht. Und mehrere überlegten sich, was zu tun ist, Schwarmintelligenz sozusagen.
Die andere Strategie ist von Herrn croco. Er ist ein sehr ruhiger und unerschütterlicher Mensch. Angeblich ärgert er sich auch. Aber er arbeitet nach dem Prinzip, den Ärger nicht an den falschen Leuten auszulassen. Er sagt, dass man Ärger dort loswerden muss, wo man ihn herbekommen hat. Allerdings darf das nicht mit Ausbrüchen geschehen, so wie meine Impulsivität das fordert, sondern durch Überlegen, wie man vorgeht. Also sozusagen die Kraft des Hochkochens in sinnvolle Bahnen gelenkt.
Ich habe mir also eigene Strategien gebastelt.
Beim Autofahren gibt es solche ärgerlichen Situationen. Manchmal hupe ich noch, da lebt ein kleiner Sizilianer in mir, aber meist spreche ich in Kosenamen mit dem Drängler. „Schnucki, lass das, Du kommst eh nicht früher an.“ „Jetzt hast Du so viel Geld für diesen kleinen Panzer ausgegeben, Mausi, dann geh doch auch vernünftig mit dem teuren Blech um.” Sowas halt.
Wenn die Hochpubertät meiner Kundschaft mich an meine Grenzen bringt, schließe ich die Augen, versuche ruhig zu atmen und zähle langsam von zehn rückwärts bis eins. Dann geht es meist wieder und das Bedürfnis alles kurz und klein zu schlagen ist verschwunden.
Seit ich all das beherzige, geht es viel besser. Und das Ärgern ist ein Anlass geworden, Dingen zu hinterfragen und zu ändern.
Ich schaffe es sogar, Menschen zu sagen, dass ich mich sehr über sie geärgert habe aus diesem oder jenem Grund. Seltsamerweise bleiben sie sachlich und wir reden über den Anlass der Ärgers.
Wenn ich mich aber nur ein bisschen geärgert habe, vergesse ich es einfach. Es ist nicht der Mühe wert.