In so einem Städtchen bin ich aufgewachsen. Fachwerk, kleiner Fluss und viel Pietismus.In jungen Jahren habe ich mich durch die Bücher von Herrmann Hesse gelesen. Und vieles meiner Heimatstadt wiedererkannt.
Strenge Menschen um mich herum, fast freudlos und ihrer Meinung nach gottnah nahmen mir die Luft. In der eigenen Familie war es nicht ganz so, und doch war ich froh, dass ich in die Welt hinaus kam.
Ich hatte mir Calw anders vorgestellt, enger, dunkler. So wie ich es aus den Büchern kannte. Unterm Rad, der Roman über den verstandenen Jungen, dem im Internat fast das Leben verliert. Das Kloster Maulbronn sieht zwar recht schön aus, ein Internatsschüler hätte ich da nicht sein wollen.
„Herrmännle ist unbeschreiblich lebhaft und intelligent, dabei leidet er an großer Heftigkeit. Er muss sich austoben, sonst kommt er auf Lumpereien und dann kommen Klagen von oben, unten, rechts und links: ,Hermann hat mein Kind gestoßen ! Hermann hat eine Scheibe eingeworfen ! Hermann bewirft die Nachbarskinder mit Steinen !`….Ja, er ist furchtbar lebhaft, rasch, umtriebig und folgt leider nicht“. So schrieb seine Mutter über ihn.
Im engen Antiquariat in Tübingen, in dem er seine Lehre machte, fand ich damals ein Lehrbuch für Chinesisch, das mir im Wohnheim recht bald geklaut wurde. Im Literaturarchiv in Marbach habe ich seine Bilder gesehen, die mich sehr berührten.
Das Haus in Gaienhofen am Bodensee ist mittlerweile auch ein Museum. Und in Montagnola suchte ich die Aussichten, die er in zarten Aquarellen eingefangen hat. Sein Haus habe ich erkannt, es gehört jemandem anderen. In seinem ersten Wohnhaus ist jetzt ein Museum.Die Aussicht auf den See, die ist noch da.
Jemand anders war auch da.
Nur um einen Tag bin ich verrutscht, sonst wären wir am 61. Todestag in Calw gewesen.
Seltsam, ich habe seine Bücher nie wieder gelesen, nicht mal den Steppenwolf. Und doch habe ich das Gefühl, sie sind in mir.
Und ich habe viele Jahre seine Spuren gesucht. Trotzdem bin ich erst jetzt an seinem Anfangspunkt angelangt.



Oh, teilweise die gleichen …Orte, Bücher, Menschen. Beim Kloster Maulbronn habe ich mir immer überlegt, wie die Internatsschüler kalte Winter überlebt haben…Schön, was du vom Hermännle schreibst!
Das freut mich sehr. Sind nicht so viele, die etwas sehen wollen, was sie gelesen haben.
Eiskalt muss es da gewesen sein, feucht und grau. Die armen Kinder!
Bei einer Führung wurde erzählt, dass es im Winter einen einzigen leicht angewärmten Raum gab, und zwar war das über der Küche…
Oh Gott! Aber so sieht der Laden aus. Vermutlich waren Gefängnisse wärmer.
Schön, mal wieder vom Hermännle zu lesen. Ich habe meine ersten 20 Jahre in Calw verbracht und musste dann wie Hesse raus aus der Enge. Übrigens ist das Calwer Gymnasium nach Hermann Hesse benannt. Allerdings haben die Calwer sich vor ewigen Zeiten, genau weiß ich’s nicht wann erstmal mit Händen und Füßen gegen die Namensgebung gesträubt. Hesse war gar nicht beliebt. Und heutzutage haben sie erkannt, wie gut er zu vermarkten ist. Hermann Hesse Stadt Calw. Ich könnt mal wieder hinfahren. Schön ist’s da schon und vertraut. Danke.
Das freut mich so sehr, dass Sie hier lesen und aus Calw sind. Wenn das Herrmännle rumgemüpft hat, hat man ihn halt nicht so mögen in der Stadt. Er hat ihnen ja auch den Spiegel vorgehalten, indirekt.
Ja, schön ist es da, und so vertraut 😉.