Der Kaiser ist nackt. Endlich hat das einer gesagt und auf ein Mal geht es wie eine Welle durch das Land. Der Kaiser ist nackt.
Und plötzlich ist die Angst verschwunden, dass sie schon gewonnen haben. Man kann etwas tun, offen sagen, dass man diese Menschenverachtung nicht mehr erträgt, dass man in einem solchen Land nicht leben möchte in dem man Menschen ausgrenzt.
Und was sagt der Kaiser, also der ehemalige? Dass man die Demonstranten angekarrt habe, ihnen ne Bratwurst gekauft und Fotos manipuliert habe.
Das glaubt ihr doch selbst nicht!
Ein paar Demonstrationen habe ich schon mitgemacht, im Studium gegen Ersatzgeldzahlungen, nach dem Referendariat gegen die Arbeitslosigkeit, und immer wieder auf dem Synagogenplatz am 9. November. Da waren wir lange ganz wenige, seit zwei Jahren sind es sicher über hundert.
Mit Herrn croco war ich schon auf Berufsdemonstrationen, da waren es ein paar tausend Teilnehmer.
So viele Leute wie die Tage kann ich mir kaum vorstellen.
Die Tagesschau stapelt tief, im ZDF sollen es insgesamt 250.000 Menschen gewesen sein, die gegen die AFD und ihren Hass demonstriert haben.
Möge uns allen dieses Gefühl der letzten Tage erhalten bleiben: Wir sind viele!
Und ich bin mächtig stolz auf all die Menschen mit Rückgrat und ohne braunen Rand.
1931 schreib Kurt Tucholsky dieses Gedicht.
Rosen auf den Weg gestreut
Ihr müßt sie lieb und nett behandeln,
erschreckt sie nicht – sie sind so zart!
Ihr müßt mit Palmen sie umwandeln,
getreulich ihrer Eigenart!
Pfeift euerm Hunde, wenn er kläfft –:
Küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft!
Wenn sie in ihren Sälen hetzen,
sagt: »Ja und Amen – aber gern!
Hier habt ihr mich – schlagt mich in Fetzen!«
Und prügeln sie, so lobt den Herrn.
Denn Prügeln ist doch ihr Geschäft!
Küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft.
Und schießen sie –: du lieber Himmel,
schätzt ihr das Leben so hoch ein?
Das ist ein Pazifisten-Fimmel!
Wer möchte nicht gern Opfer sein?
Nennt sie: die süßen Schnuckerchen,
gebt ihnen Bonbons und Zuckerchen …
Und verspürt ihr auch
in euerm Bauch
den Hitler-Dolch, tief, bis zum Heft –:
Küßt die Faschisten, küßt die Faschisten,
küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft –!