Prozession und Kirschen

Heute ist Fronleichnam. Als Kind habe ich es geliebt, in neuen Schuhen und hellblauem Mäntelchen hinter dem Himmel mit Pfarrer und Monstranz her zu marschieren. Man ging bei der Prozession von Altar zu Altar. Dort roch es wunderbar nach den bunten Blumenteppichen. Später dann war ich dabei, Blumen zu sammeln und in den frühen Morgenstunden die Teppiche mit Blütenblättern auszulegen. Das Sammeln war eine schwierige Sache. Wir gingen von Haus zu Haus und fragten nach Blüten. Manchmal bekamen wir Pfingstrosen, mal gelbe, mal weiße Blüten, lila war selten. Es kam öfter vor, dass wir barsch zurück gewiesen wurden. Dieses katholische Brauchtum konnte man in der pietistischen Gegend nicht dulden. Dazu mault man am besten die Kinder an. Und man putze die Fenster oder machte Krach, wenn gerade die Prozession vorbei zog.
Zurück im Pfarramt gingen wir in den Keller und sortierten die Blüten nach Farben. Dazu standen Eimer bereit. Wir mussten schauen, wie die Farben zum Entwurf passten. Er musste geändert werden, wenn eine Farbe zu wenig da war. Zur Not griff man auf Torf und Sägemehl zurück. In verregneten Frühsommer war das oft der Fall.
Man hoffte überhaupt, dass es nicht regnete. Dann gab es keine Prozession, der schöne Himmel bestand ja aus Stoff und Goldfäden.
Das Kunstwerk insgesamt war eh kurzlebig. Die Gläubigen versuchten schon, nicht über den Blumenteppich zu latschen, es gelang nicht immer. Der Altar, in guten Jahren gab es sogar zwei, blieb meist bis am Nachmittag stehen, dann war die Pracht vorbei. Man fegte die Reste zusammen, baute den Altar ab und räumte alles wieder in den Pfarrkeller. Die Kreidespuren auf dem Boden waren noch ein paar Tage zu sehen.

Nachtrag: Bedeutung des Begriffes Fronleichnam

Eigentlich wollte ich was zum 17. Juni posten, was das für ein trauriger Feiertag war in meiner Kindheit und so weiter, aber dann hab ich es gelassen. Ich hab alle anderen Länder beneidet, die im Sommer ihre Nationalfeiertag hatten und den lautstark feierten. Die Leute mit Verwandten im Osten stellten Kerzen ins Fenster und gedachten all der Schikanen, denen diese Menschen ausgesetzt waren. Insofern kann ich es einfach nicht verstehen, dass man sich an diese Zeit zurück sehnt, weder im Westen noch im Osten.

Ansonsten ist hier Kirschenernte, ich hab einen neuen Aufsatz gekauft für die lange Stange. Die Bäume sind so alt, dass man keine Leiter anlegen kann. Das wäre lebensgefährlich, die Äste schlitzen und brechen bei der geringsten Belastung. Jedenfalls esse ich jeden Tag ein halbes Kilo Kirschen und habe entsprechend Bauchweh. Das ist aber egal. Zuerst dachte ich, ich kauf einen neuen Kirschenentsteiner, der alte macht eine Riesensauerei. In der Küche sieht es dann immer nach Blutbad aus.
Was mache ich dann mit den entsteinten Kirschen? Da muss ich wieder Marmelade kochen, und das bei dieser Hitze. Ich könnte auch meine traditionelle Vorgehensweise anwenden. Wenn ich keine Lust habe auf Einkochen im Hochsommer, friere ich den ganzen Krempel ein und vor Weihnachten kommt noch mal eine Phase des hauswirtschaftlichen Werkelns, da genügt es immer noch, Marmelade zu kochen. Entsteinen muss ich trotzdem.

Wenn Sie jetzt denken, kein Wunder, dass die Frau Bauchweh bekommt, isst sie auch unreife Kirschen. Nein, die Kirschen sind eben gelb, viel röter werde sie nicht. Es ist eine alte Sorte, vermutlich eine Knorpelkirsche, der Baum ist fast hundert Jahre alt.



Nina Hagen Staatsfeind
Überbestorchung
Humor killt alles
Sag ich doch: Humor
Hops
Antrag
Mutterliebe
Doch Protest, na also.
Nochmal
Sachen gibt es
Tänzchen
NaDu kleiner Radler
Texas halt
Everybody, who is not a leader

15 Gedanken zu “Prozession und Kirschen

  1. Die Sorte kenne ich auch. (Wobei mir gerade einfällt, dass meine Patentante immer sagte: wir haben die helle Sorte. Sie aß so gerne Kirschen, dass sie nicht abwarten konnte, bis sie richtig rot und reif wurden, und deshalb immer schon pflückte, wenn die Kirschen sich zart rosig färbten.)

  2. an fronleichnam verdiente ich mir das erste geld. wir gingen zu kleinen grüppchen genau wie ihr blüten sammeln, und in den wald tannenspitzen pflücken. die geschäfte in unserer strasse gaben uns z. b. 10 pfennig für ein körbchen blüten, manche machten vor ihrem eingang noch kleine altärchen. es war spannen, einmal hütete ich ein zweijähriges kind, mitten in der wandlung auf der hauptstrasse begann sie zu singen: es klappert die mühle… und noch heute denke ich an tante threse mit den gardinen(degenhardt). da hast du mir viele erinnerungen angeschoben, danke.

      • ja, deko vorm ladeneingang, manche stellten auch ein schreckliches bild mit goldrahmen dazu, diese schutzengelbilder und eine dicke kerze., kennst du sicher. die eifel war halt damals fast ganz katholisch. in meiner schulklasse, 47 kinder im 1. schuljahr, waren 4 kinder andersgläubig. die wurden mit zum kommunionsunterricht geholt, wg. aufsicht und mangelnder alternative(in eine niedere jklasse wollten sie nicht).

      • Ach so, nicht zum Streuen.
        Bin ja in der Diaspora aufgewachsen. Schutzengelbilder gab es, wenn überhaupt, nur zuhause. Es war der Überlebenskatholozismus der Flüchtlinge, den ich kennen gelernt habe. Das war ganz anders in den Herkunftsorten meiner Eltern, sehr barock alles.
        Und die Kinder wurden gleich mit katholifiziert?

  3. Zum Thema „Kirschen“
    Kirschen sind oft mit Hefen behaftet, die dann nach dem Essen im Bauch gären und dann Schmerzen verursachen. Also gut abwaschen und ggf Natron zusetzen.

    Ansonsten bin ich auch Team Kirsche und nicht Team Erdbeere.

    • Ja, das weiss ich schon. Gewaschen werden sie, doch es ist die schiere Menge, die mich quält. Erdbeeren taugen als Kuchen. Bei Kirschen sind halt sie Steine blöd.

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