Vor fünfzehn Jahren war es noch ein gottverlassenes Nest in den Bergen an der Grenze zu Spanien. Halbzerfallen, ein bißchen trostlos und unglaublich eng. Nun ist das Dorf schneeweiß geworden. An die Poussada wurde angebaut und man hat mühevoll einen Park angelegt. Sogar ein Geschäft für Töpferwaren gibt es.
Das alles ist aber kein Grund hierher zu kommen. Das ist einzig und allein die atemberaubende Aussicht. Und das Gefühl, man schwebe über den Ebenen. Vom Speisesaal aus ist es am schönsten, am Morgen, am Mittag und am Abend. Immer wieder ist es anders. Man könnte betrunken werden von der Landschaft. Vom Alentejo, der Ebene des Tejo.
Die Mauersegel und die Schwalben ziehen ihre Kreise, unter uns. Wie Pfeile durchschneiden sie die Luft. Stundenlang kann man ihnen zuschauen, wie sie elegant und waghalsig zugleich, knapp an Felsen und Mauern entlang ihre Bögen fliegen.
An der Rezeption erzählt sie, dass es kein Lebensmittelgeschäft mehr gäbe. Dafür sei man Weltkulturerbe. Und die Leute, die wir auf der Staße träfen, alles Touristen seien, wie wir. Fast keine Einheimischen mehr, nur noch ein paar alte Leute. Schön und traurig.
Ob sich noch jemand außer mir nach dem alten Marvao zurück sehn?
Rilke–Ausgesetzt_auf_den_Bergen_des_Herzens.html