Unterwegs 2

Kommt man weiter in den Süden, so ändern sich die Menschen. In den Lokalitäten wird es immer lauter, alle sprechen durcheinander. Die Kunst ist, den anderen trotzdem noch zu zuhören um auch einmal in das Nachbargespräch eingreifen zu können, falls nötig. Diese Kulturtechnik habe ich etwas verlernt, seit ich hier nicht mehr wohne. Etwas anstrengend ist es schon, wenn man alles am Nebentisch versteht, jeden Tonfall jede Bemerkung in ihrer gesamten Tiefe, kleine, spitze Frechheit. Man spricht nämlich Dialekt hier, überall. Auch am Nachbartisch, in Party Laune, steht ein Geburtstag an, man spricht Schwäbisch. Ab und an ruft man sich kurze griechische Brocken zu, das ist aber auch alles. Am anderen Tisch sitzt ein Herr, der alle äußeren Qualitäten eines Mafiosi aufweist, weißer Hut, breiter Krempe, schwarzes Hemd, kleine und kräftige Statur, Dauertelefonate, lautstark und auf Italienisch. Sobald das Telefonat beendet ist, spricht er wieder Schwäbisch. Und so geht es weiter.

Dieser See ist ein Zauberort für mich. Mein Vater erzähle von seinen Sommerferien hier bei den Großeltern. Und später immer wieder. Das Wort Bodensee klingt und glitzert im Sonnenschein. Ich höre es immer noch im Tonfall meiner Großmutter, die ich kaum kannte. Alle ihre Kinder sprachen es so aus. Dialekt geht über die Mutter, bei uns jedenfalls.
Und ich sehe den See immer schon bei Hölderlins Hälfte des Lebens.

Hälfte des Lebens

Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm’ ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.

Gestern Abend habe ich ihn gesehen