Wenn die Bäume ihre Blätter haben, die ersten Wiesenblumen blühen, Bienen und Hummeln fliegen und die Vögel ihre erste Brut aufziehen, ist es für die einen reinste Romantik, für die anderen harte Arbeit. Es sind Biolehrertage. Im Herbst und Winter fahren Deutsch- und Sprachenlehrer ins Theater und ins Kino, organisieren Lesungen und Bibliotheksführungen. Ihr Lieblingsbiotop ist dunkel und warm. Meines ist hell, wuselig und fühlt sich uferlos an. Der Versuch, alles zu kanalisieren, kostet Nerven.
Ein Beispiel erklärt es vielleicht. Die Zöglinge verteilen sich über das Gelände mit einer Liste der zu suchenden Bäume, erkennbar an den Blättern. Daneben sind Fotos derselbigen. Es wurde vorher besprochen, was gebuchtet und gesägt, gefiedert und gelappt bedeuten. Für die Suche von zehn Blätter gibt es eine halbe Stunde Zeit.
Die Anweisungen sind genau und präzise und lassen eigentlich keinen Spielraum zu. Eigentlich. Keinen.
Die ersten kommen zurück. Der Hausmeister hätte ihnen verboten, Blätter zu pflücken. Kann eigentlich nicht sein, da die Bäume nach Biolehrerwünschen gepflanzt wurden und genau zu Pflückzwecken existieren.
Dann trifft der Hausmeister ein und berichtet davon, dass er die ersten Schüler von der Kastanie gepflückt hatte, die dabei waren, einen Ast abzureißen um an die Blüten zu kommen. Eine Gruppe, zugegebenermaßen nicht die hellsten Kerzen auf der Torte, haben Gräser mitgebracht und eine Probe eines Frauenmantelblattes. Welche Bäume sind das, Frau Croco? Ein Baum hat einen, und nur einen Stamm, und den gibt es nächstes Jahr noch. Gras und Frauenmantel gehören eindeutig nicht dazu.
So, die Kastanienblüte bekommt eine Vase und und der Rest muss der Reihe nach die verlangten Blätter hochhalten. So sortieren sich langsam Ahorne von Buchen und Kastanien. Ein grober Überblick, mehr ist heute nicht drin.
Nächste Woche geht es auf die Wiese, die ersten Wiesenblumen blühen. Mal sehen, wie die Wiese danach aussieht.
9 Gedanken zu “Biolehrertage”
Die Kommentarfunktion ist geschlossen.
Ich wünschte, ich hätte jemals so praktischen Bio-Unterricht gehabt. Ich musste alles rein aus Büchern lernen. Da beneide ich also Deine Schüler schon sehr darum, dass sie ihre Kenntnisse ganz praktisch in der Natur erlernen und erweitern dürfen. Ich fürchte nur, denen ist gar nicht bewusst, wie toll das ist und was für ein Vorteil/Privileg.
So habe ich es auch erlebt. Außer der Tulpe und ein paar Schweineknochen kam nichts außer Kreide und Arbeitsblätter in den Biounterricht. Ich wollte es einfach anders machen.
Ich fand den Beitrag spannend, stiess ich aber sehr an dem gebräuchlichen „nicht die hellsten Kerzen“. Ich finde solche Bewertungen machen nichts besser.
Nein, klingt nicht gut, ist aber so.
Aber ist es nötig, dass so zu benennen?
Sehr lustiger Beitrag. Wenn der Nachwuchs es nicht so mit Biologie hat, so hat er zumindest etwas lebenspraktisches gelernt: „Stelle dich immer gut mit Hausmeistern, sonst läuft nix“.
Lustig? So ist mein Alltag. Schule ist in gewisser Weise immer skurril. Und ein naturliebender konsequenter Hausmeister eigentlich ein Segen. Dass die Zöglinge ihn ein bißchen fürchten, ist schon gut so.
Solch ein Lernerlebnis hatte ich selbst leider nur einmal: Auf einem Schulausflug bestimmte Klasslehrer Graßl (Griechisch/Latein – und Jäger) im Wald die Pilze, an denen wir vorbeikamen („HALLIMASCH!“ immer unter Prusten gerufen – der Pilzname blieb auf Jahre unser Schlachtruf). Ich freue mich für deine Schülerinnen und Schüler, dass sie so bei dir lernen dürfen.
Ein wunderbarere Pilzname ist das. Die haben eh absurde Benamsungen manchmal. Ob meine Schüler was lernen, bezweifle ich machmal. Allerdings wird sich das erst in einigen Jahren rausstellen, ob die Saat aufgegangen ist. Hoffen wir mal😊.