Die Königin kann nicht mehr

Königin Elisabeth ist krank, schwer krank. Und ich wohne wieder im Kinderzimmer.
Das fasst die letzten Tage zusammen.
Sie ist nur noch Haut und Knochen. Die Behandlung geht weiter und sie will sie durchstehen.
Auch wenn bei Nacht die Sanitäter kommen. Auch wenn sie kaum Kraft hat.
Sie will am Leben bleiben. Ihre letzten privaten Bereiche musste sie mit großem Widerstand aufgeben. Für das Anziehen, das Ausziehen und das Duschen kommt die Schwester.
Die Medikamente nimmt sie nur, wenn ich daneben stehe. Ab und an fällt sie in die Homöopathiefalle der Verwandtschaft. Wunderglaube. Ein bißchen ausreden muss ich es ihr schon.
Und ich koche Reh mit Sahnesauce, es gibt Schokolade und Kuchen. Mühsam löffelt sie. Es schmeckt ihr und doch kann sie kaum. Die Kraft reicht nur zu wenig, am Treppengeländer zieht sie sich hoch. Ich habe Stühle auf den Weg gestellt, damit sie sich halten kann, Pause machen.
Am Telefon macht sie auf putzmunter, dann ist sie so müde. Die anderen Helfer sind froh, dass ich übernehme. Sie kommen trotzdem zum Kaffee, alte Freunde.
Ihre Haare, ihr ganzer Stolz, wachsen grau nach, sind aber noch da, zum Erstaunen aller. Keine goldenen Ohrclips mehr, kein Chanel, kein Seidentuch. Nur die Basics. Und wenn noch Energie da ist, wird meine Garderobe kommentiert. Ich glaube, Schuhe ohne Absätze und weite Hosen kann sie einfach nicht verstehen. Und dass die Tochter wenig Interesse daran zeigt, eine sehr schlanke Tochter zu sein, ist ihr schon fremd.
Am Abend schläft sie vor dem Fernseher ein, und wenn ich sie ins Bett bringe, die arme müde Königin, verzeihe ich ihr alles.
Und morgen mache ich ihr einen Friseurtermin.

13 Gedanken zu “Die Königin kann nicht mehr

  1. Ach ach. Meine Bewunderung und gute Gedanken, es ist schwer aber bestimmt sehr gut, dass Du da bist. Euch beiden Kraft und bei allem ein paar schöne gemeinsame Momente. ()

    • Danke Dir.
      Und da hast Du recht: es ist gut, dass ich hier bin. Und es sind die netten Momente, die kleinen Augenblicke, die verbinden, die schön sind. Und alles hat bei aller Schwere eine große Leichtigkeit.

  2. Euch allen wünsche ich, Raum zu fnden, für das was ist. In meinen Ohren klingt Chemo mit, ein offener Weg.
    Dir wünsche ich die Fähigkeit, zwischen Deinen Wünschen und denen Deiner Mutter zu unterscheiden. Ich bin keine Richterin. Vielleicht möchte so nicht mehr leben und schämt sich, sich so zu zeigen wie sie ist, auch vor Freunden.
    Dich bitte ich, ihr zu hören was sie sagt, und falls sie sich Tomaten wünscht, ihr welche zu reichen, sie für sie zu schneiden, falls sie das jetzt nicht kann. Und wenn es für Euch beide passt, könnt ihr genießen.

    • Danke sehr für die guten Wünsche. Als die Behandlung begann, war das schon die Frage. Aber sie möchte leben, ganz eindeutig hat sie das gesagt. Nur ob sie und ihr schwacher Körper das überstehen, weiß man nicht. Ja, Sonderwünsche werden erfüllt, sofort, keine Sorge.

      • Ich bin sorglos, ist nicht meine Baustelle. Ich habe bislang vier ganz unterschiedliche Menschen in Chemozeiten begleitet, war jedesmal auch Achterbahn für alle. Euch wünsche ich, miteinander zu lachen.

    • Danke sehr. Man gibt halt, was man kann, und was hilft, vielleicht. Heute Nacht hat sie Schmerzen und kann nicht schlafen. Morgen geht die Behandlung weiter, sie hat solche Angst.
      Wenigstens ist die Frisur jetzt in Ordnung, das ist schon was.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.