Das Fräulein

Vor drei Jahren habe ich mich hier mit ihr getroffen. Wir sind ein bißchen durch die Strassen gelaufen. Dann sind wir sind Essen gegangen. Und sie hat uns nochmals ihre Lebensgeschichte erzählt, mit fast den selben Worten wie im Blog. Im Jahr darauf habe ich sie noch einmal getroffen bei einem großen Fest. Kurz darauf brach alles zusammen und sie konnte und wollte nicht mehr leben.
Zuhause habe ich noch ein Marmeladeglas von ihr stehen und einen Marzipanriegel liegt im Schrank.
Sie hätte heute Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, liebes Fräulein.

30 Gedanken zu “Das Fräulein

  1. Ich bin sicher, dass Sie den Glückwunsch für das Fräulein nur in bester Absicht schrieben. Allerdings frage ich mich, welche Art Glück diese arme, kranke, dabei doch so intelligente und begabte Person Ihrer Meinung nach zu Lebzeiten gehabt haben mag, liebe Croco, dass Sie posthum noch gratulieren?
    Ich gehörte über Jahre zu den Lesern des Fräuleins, auch Bewunderern ihrer hohen moralischen Ansprüche.
    Im Nachhinein kann man wohl feststellen, dass diese in erster Linie für andere galten, was ich vor allem daran festmache, wie vehement und gnadenlos sie auf – sogar berechtigte – Kritik reagierte.

    Mir war relativ früh klar, dass sie z.B. bei der Schilderung ihres Lebens mit dem Tierarzt Dichtung und Wahrheit mischte. Zu viel Ungereimtes kam da zusammen, aber das war schon in Ordnung, denn eine junge Frau darf träumen und diese Träume poetisch verarbeiten. Das konnte sie als sein „Mädchen“ wunderbar. Und sie kam als ein so guter Mensch daher, dass man sie einfach mögen musste.

    Zweifel an ihrer jüdischen Identität hatte ich nie. Aber dass sie sich in dem Zusammenhang dazu verstieg, geradezu kriminelle Energie aufzubringen durch Fälschung weiterer Identitäten, hat mich zutiefst enttäuscht. Und ist doch bestenfalls mit einer schwerwiegenden Grunderkrankung zu erklären.

    Ein glückliches Leben kann sie wohl nicht gehabt haben.

    • Ich habe zu viel gesehen um nicht in jedem Menschen das Gute und das Böse zu sehen. Sie war ein Mensch, der sehr in sich verstrickt war, unsicher im persönlichen Gespräch und wortgewaltig im Blog. Ich sehe schon, dass sie hätte nicht lügen dürfen, nicht erfinden. Ich mag aber nicht richten, ihr Leben ist zu Ende.

      • Ich stimme Ihnen zu. Hinterher richten ist nicht gut.
        Ich habe sie auch auf dem großen Fest zum letzten Mal gesehen; da hätte ich auch schon gerne unterstützt.
        Schön, dass Sie an sie denken.

      • Manchmal kann man Menschen nicht halten und es tut einem lange unendlich leid.
        Und Dinge nehmen manchmal ihren Lauf und man kann sie nicht mehr einfangen.
        Ich glaube nicht, dass wir alle ohne Fehl und Tadel sind. Und so muss es gut sein irgendwann.

      • Haben Sie meinen Beitrag als „Richten“ aufgefasst?
        Auch ich habe zu viel gesehen und erlebt, um das zu tun. Der Begriff „Glückwunsch“ war es, der mich irritierte, weil auch mich die Tragik dieses Lebens immer noch bewegt.

  2. Ich musste gestern auch an M. denken. Bis heute kann ich es nicht begreifen, das alles.
    Nein, es hilft niemandem, sie posthum zu verurteilen; ich wünschte, sie hätte zu Lebzeiten Hilfe erfahren können. Es tut mir einfach nur leid – für M., für ihre Eltern und alle, die ihr verbunden waren.

  3. Ich habe das erst heute gelesen.
    Ich hatte, als damals alles aufflog, meinen ersten Shitstorm im Blog von sehr vielen „lautstarken rechtschaffenden Krähen“, weil ich mich auf ihre „Seite“ gestellt hatte. Ich musste sehr viel rausfiltern. Ich kann mich an eine ganz besonders fiese Krähe erinnern, die sich ausgab, als ob sie Mitleid hätte, aber eigentlich den ganze Häme und den Wust anderer durch verlinken erst recht in Umlauf brachte. Ich fand vor kurzem beim Aufräumen die Spiegel Ausgabe wieder, die alles in Rollen brachte. Ich warf sie weg.
    Ja, sie vermischte Fantasie mit Realität so sehr, dass sie meiner Meinung nach beides nicht mehr voneinander unterscheiden konnte. Aber wirklich geschadet hat sie niemandem damit. Sogar der Yad Vashem reagierte lediglich mit Kopfschütteln und Unverständniss über ihre Aktion und es ist mir nicht bekannt dass sie rechtliche Schritte gegen das Fräulein eingeleitet haben soll.
    Was mich bis heute rasend macht, ist wie die ganze Netzgemeinde mit ihr umging und sie steinigte, kreuzigte, vierteilte und zugleich verbrannte. Wie ein Horde von Wilden aus dem Mittelalter!
    (…und ich muss jetzt aufhören mit schreiben, sonst steigere ich mich da rein.)
    Sie hat eine große Lücke hinterlassen.

    • Du hast das sehr schön geschrieben, danke dafür. Menschen werden manchmal zur Horde, wenn sie andere jagen können, richten. Wer ohne Fehl ist, werfe den ersten Stein.
      Sie hat niemandem geschadet, genau so war es.

    • @Joel
      Das haben Sie wirklich wunderbar zusammengefasst. Ich glaube, der Hass, der ihr im Netz entgegengeschleudert wurde kam daher, dass viele Menschen, die sie zu kennen glaubten, am Ende auf sich selbst böse waren, weil sie jemandem „auf den Leim gegangen“ sind. Wobei das weder Entschuldigung noch Rechtfertigung sein soll. Es ist, wie sie schreiben, niemandem ist ernsthafter Schaden entstanden. An ihren hohen moralischen Maßstäben habe ich nie gezweifelt und tue es bis heute nicht. Durch sie habe ich begonnen, manche Dinge mit anderen Augen zu sehen. Dafür bin ich sehr dankbar.

  4. Egal ob ihre Geschichten wahr waren: Des Fräuleins Blogtexte sind der Grund, warum ich lose Münzen für Bettler in den Taschen habe und mich immer mal wieder traue zu fragen, ob ich ihnen einen heißen Kaffee o.ä. kaufen darf. Ich behaupte, das ist eine positive Wirkung, wenn auch klein.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.