Eine kleine große Liebe

Als Engel mochte ich ihn am liebsten. Seine sanfte Stimme, sein Lächeln.
Und in Tulpen und Brot. Ein herzerwärmender Mann, ein großer Künstler.
Drei Mal habe ich ihn gesehen.
Bei ersten Mal war eine Uraufführung einer Oper, die nur aus Geräuschen bestand. Geräusche, die Handwerker machen, wenn sie Eisenringe um ein Fass hämmern, wenn sie Zement mischen, wenn sie mauern. Er las dazu, ungerüht, die Namen aller Werkzeuge aus der Enzyklopedia britannica. Die Handwerker stammten alle aus dem selben italienischen Dorf. Und sie saßen danach im selben Innenhof in Salzburg, fröhlich und müde. Er kam nicht. Das war 1999.
Im Frühjahr 2010 sah ich ihn wieder. Ein kleiner schmaler Mann stand neben mir in einem Museum in Wien und wir schauten uns lange das selbe Gemälde an: die Malkunst von Jan Vermeer. Hitler hatte es gekauft und es hing einmal auf dem Berghof. Und er hatte Hitler gespielt. Auf der anderen Seite von ihm stand ein Freund, dem als Kind Hitler begegnet war.
Eine unglaubliche Konstellation. Sie wussten nichts voneinander und es war doch für kurze Zeit Weltgeschichte im Kleinen. Ich hätte gerne den Mut gehabt ihn anzusprechen.
Und das dritte Mal war in einem Theater in Bonn. Er las aus David Forster Wallace. Das war im Januar 2011. Er kam zu spät, es ging ihm nicht gut an dem Tag. Er las gut, aber ein Funke sprang nicht über. Er war noch kleiner geworden, verschwand fast.
Und nun gibt es ihn nicht mehr.
Bruno Ganz.