Corona sechs

Wenn es den European Song Contest noch geben würde, würden wir uns über den 5. Platz freuen. Jetzt haben wir ihn: in der Coronaskala der Infizierten. Sogar weltweit. Mamatschi, diese Pferdchen wollt ich nicht.
Die Aufgaben für meine Schüler werden interessanter. Es werden mehr Medien, witzigere Sachen. Einer muss sie ja aufmuntern.
Der Rücken schmerzt, die Physiofrau tut was sie kann. Das Homeboxing ist lange nicht so effektiv wie die Seilzügen im Studio. Ich verneige mich vor Frau Kaltmamsell, die ihr Programm jeden Tag durchzieht.
Aus dem Auto sehe ich, dass die Menschen im Café den Zweimeterabstand einhalten. Und ziemlich gedrückt durch die Strassen laufen. In der Stadt ist noch kein Fall bekannt, sagt man. Quarantänefälle schon. Die Geschäfte sind zu, es sieht so sehr nach Sonntag aus. Heute habe ich zwei Angebote bekommen für mich einzukaufen. Ich werde annehmen.
Auf dem Nachhauseweg will ich zu Freunden abbiegen, lasse es aber. Ich sage Spaziergänge ab. Ich igle mich ein. Und was denke ich? Ich will nicht sterben. Also höchst dramatisch. Es sind halt die Erfahrungen der letzten Jahre, die nun wieder hochkommen.
Ich messe mittlerweile jeden Morgen Fieber. Nicht dass die Rückenschmerzen Anzeichen sind für das Virus sind. Es kostet viel Kraft normal zu bleiben.
Was anderes: Die Natur macht wie gedopt. Die japanische Pflaume ploppt auf, die Narzissen überfluten die Verkehrsinseln und die Hyazinthen riechen betörend.
Ach ja, die Rede der Kanzlerin. Sie war sehr klar gestern, sehr ehrlich, sehr berührend. Es ist ernst. Und ich glaube, das sollte man den ganzen Partyspinnern und Ignoranten direkt auf den Hintern tätowieren.
Tschuldigung.

10 Gedanken zu “Corona sechs

  1. Ich denke, durch den Wegfall des alltäglichen Ablaufs und weniger Hetze/Termine nehmen wir die Natur einfach wieder mehr wahr in ihrer ganzen Pracht. Sie wird nicht mehr so übertönt. Gleichzeitig lassen sich aber unterbewusste Ängste nicht mehr verdrängen. Der Idealzustand: wir ergeben uns der Schönheit, der Kraft der Natur und spüren keine Angst mehr, weil wir ein Teil sind des ewigen Werdens und Vergehens. Nichts verschwindet wirklich.

  2. Die Rede der Kanzlerin hat sogar meine Tochter irgendwie beeindruckt. Nun versucht sie händeringend unseren hochbetagten „Großeltern aus Leidenschaft“ das Einkaufen abzunehmen. Aber die sind trotz zahlreicher Grunderkrankungen störrisch. Ich werde das Angebot morgen mal andersrum verkaufen, „das arme Kind stirbt fast vor Langeweile und macht mich bald wahnsinnig, erbarmt euch und lasst es einkaufen…“

  3. Es ist auch ein Kampf. Seit gut 20 Jahren habe ich keine Panikattacken mehr gehabt. Erfolgreich wegtherapiert. Nicht mal der Hauch einer Panik flog mich an. Und nun? Jetzt macht sich so ein Druck in der Brust bemerkbar, so ein flaues Gefühlchen, ein Unbehagen. Keine Ablenkung durch die Arbeit, denn meine Arbeitszeit wurde auf das Wochenende verlegt, wenn die Praxis menschenleer ist. Schutzmaßnahme, da mein Mann Risikopatient ist. Ich glaube es war der Präsident der Ärztekammer, der gesagt hat, dass eine Wochen- oder monatelange Isolation der Menschen nicht möglich ist, da die Gefahr großer psychischer Probleme mit jedem Tag wachsen würde. Wenn, dann sollten ausschließlich die Menschen ab 65 und Risikogruppen häuslich isoliert werden. Ich weiß, dass viele alte Menschen unter Depressionen leiden, Einsamkeit und nicht wenige keine Möglichkeit des Austauschs über das Internet haben. Mein heutiger Tag, nach dem Frühstück, begann ist dem Lesen meiner abonnierten Blogs. Und mehr so einer ließ mich lächeln. Trotz der Sorgen, die sich jeder macht, wird nicht nur gejammert, sondern auch Optimismus verbreitet. Das versuche ich bei mir auch. Und dann habe ich das Glück, auf die Mietergärten unter meiner Wohnung zu schauen. Der Frühling ist im wahrsten Sinn eine treibende Kraft.
    Liebe Grüße schickt Elvira

    • Ach, das tut mir sehr leid. Panikattacken sind fürchterlich. Nach einem Unfall hatte ich ne Weile welche. Man kann das kaum jemandem erklären was man da mitmacht. Ich glaube, in dieser Isolation jetzt halt Ablenkung. Und eben die Natur. Wenn man die Möglichkeit hat spazieren zu gehen. Ich mache die Musik an und tanze durchs Wohnzimmer. Ich telefoniere. statt Textnachrichten zu schreiben.Lauter so‘n Zeugs halt. Ich finde es hilft.

      • Dieses flaue Gefühl kommt nur phasenweise. Besonders wenn ich an meine Kinder und Enkel denke, die ich gerade nicht sehen darf. Aber wir telefonieren. Das ist viel Wert!

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.