Corona dreißig

Wir sind zuhause geblieben. Die Nachbarn auch, soweit ich es beurteilen kann. Vor einem Haus standen plötzlich vier Autos. Also doch Osteressen im Kreise der erweiterten Familie.
Ans blitzeblanke Küchenfester flog ein Vogel und lag wie tot am Boden. Ein anderer Spatz kam angeflogen, hüpften um ihn herum und versuchte verzweifelt ihn aufzurichten. Immer wieder. Da wir befürchteten, er verletzt ihn noch mit dem Schnabel, haben wir versucht ihn zu verscheuchen. Was kaum gelang. Irgend wann setzte sich das Vögelchen auf, blinzelte etwas, bewegte sich und flog davon.
Das habe ich noch nie gesehen, dass ein erwachsener Vogel dem anderen hilft.

Ostern, das war früher Osternacht in der Kirche mit Anzünden des Osterfeuers und der Osterkerze. Die Auferstehung und das Leben. Ich kannte es nicht anders. Katholisch bis auf die Knochen. Der Pfarrer war auch der Religionslehrer. Die Freunde saßen mit den Familien vor uns oder hinter uns in der Kirche. Es gab das Gemeindezentrum, die Jugendgruppen und all das, was wir selbst auf die Beine stellten. Es war eng und frei gleichzeitig.
Durch das Weggehen hat sich fast alles verflüchtigt. Keine Gemeinde mehr, in der ich heimisch wurde. Ab und an eine Messe auf Latein in der nahen Wallfahrtskirche. Ein Gottesdienst, sei es auf Deutsch, oder eben irgendwo im Ausland fühlt sich trotzdem sehr nah an.
Wenn mich einer fragt, welcher Religion ich angehöre, sage ich immer, ich sei diffus katholisch.
Wenn ich aber den Papst alleine auf dem Petersplatz stehen sehe, dauert er mich von Herzen. All sein Beten und Flehen als Stellvertreter Gottes auf Erden, nutzt nicht viel zur Zeit. Wie soll man da Hoffnung geben? Von Auferstehung reden?
Er sieht verzweifelt aus. Und ich denke, das ist das für ein Gott, der sein Geschöpf Virus auf sein Geschöpf Mensch loslässt. Wenn das eine Prüfung sein soll, ist es eine sadistische.
Als Naturwissenschaftler ist man eher allein im Weltall. Keiner kümmert sich, das muss man selbst. Und das kann auch schief gehen. Die Gesetzmäßigkeiten einer Pandemie kennt man, die einer Virusinfektion auch. So wäre es nicht schlecht, wenn man doch einen Gott hätte, der alles richtet.

Das Lied rührt mich immer noch

13 Gedanken zu “Corona dreißig

  1. „diffus katholisch“, kann ich so gut verstehen. Alles andere auch. Danke für den Text und das Lied. (sind wir dieselbe Generation?)

  2. Gern gelesen. Und diffus katholisch finde ich spannend. Bei uns im Wäldchen blieb mal ein Eichelhäher in einem Baum am Angelhaken hängen. Es gab eine große Rettungsaktion. Der Förster kam und legte den Vogel dann hinter einem Baumstamm ab. Es kamen drei oder vier Vögel, nacheinander um zu helfen. Später berappelte sich der Eichelhäher wieder. Ein Phänomen über das auch ich weder bisher gelesen noch gehört hatte.

    • Oh, das ist auch eine schöne Geschichte. Die zweite jetzt über das Helfen bei Vögeln. Bisher dachte ich, es gibt kein individuelles Kennen gibt. Vielleicht noch bei Rabenvögeln, aber beim Rest?

  3. Danke für die Erinnerung an das Lied! Jugendfestival 1974 (?) in Trier, und viele Begegnungen mit anderen Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Taize und anderswo. Ein Stück Erinnerung an etwas, was mir einmal viel bedeutete. Die Geschichte mit dem Vogel berührt mich, wusste ich nicht. dass auch Vögel einander helfen.

    • Danke sehr für Deinen Kommentar. Ja, die Taizézeit war das. Ich durfte leider nicht mit damals. Auch nicht zu den Festivals. Wenn die Taizégruppe zurück kam, war sie immer sehr beseelt. Viel später bin ich dann mal hingefahren, und war ziemlich enttäuscht. Es sah alles sehr runtergekommen aus.

  4. Im Miniclub meiner Kinder begegnete mir das Lied zuerst, zuletzt bei der Beerdigung unseres besten Freundes. Es ist ein schönes Lied! Familienbesuche plus Freundeskreis am gestrigen Ostersonntag in einigen Gärten. FaceTime bei uns mit Kindern und Enkeln. Unsere kleinen Ostergeschenke haben Freude gebracht, auch wenn die Arbeit des Osterhasens von DHL übernommen wurde. Nun sind die Enkel am Basteln und Experimentieren.

    • Ach, das singt man heute noch? Ein schönes Beerdigungslied ist das.
      Der Osterhase hatte es nicht leicht in diesem Jahr. Ich habe zwei Nestchen gebracht, zwei habe ich bekommen. Eines nachts um 11, es klingelte einfach und dann stand es da. Nichten und Neffen wären eher an einer Überweisung interessiert, wenn ich das Bedankungsverhalten der letzten Jahre richtig interpretiere.

    • Wir wissen ja so wenig bis gar nichts, je mehr wir uns mit etwas beschäftigen. Aber es wird die erste Menscheitsseuche sein, gegen die wir Mittel haben werden. Hoffnung zumindest darauf habe ich.
      Diffus evangelisch geht auch?
      Liebe Grüsse

    • Oh, danke für die Geschichte. Mein Mann sagt, hier im Garten seien Raben und Elstern Feinde. Sie verjagen sich gegenseitig von den guten Nistplätzen in den hohen Bäumen.

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