Corona achtzehn

Die Achtzehn (18) ist die natürliche Zahl zwischen Siebzehn und Neunzehn.
Die achtzehn bedeutet Volljährigkeit. Im Hebräischen steht sie für Leben, und auch nirgend wie für Glück. Und in Fachkreisen steht sie für die Initialen eines größenwahnsinnigen Moskaumarschierers mit Schnauzbart. Ach, psychopathisch hatte ich vergessen, und gemeingefährlich.

Jetzt schreibe ich so lange jeden Tag hier. Die Zeit ist flüssig geworden, nicht mehr greifbar. Ich versuche die Tage zu fassen, aus dem Zeitbrei feste Würfelchen zu machen. So ist der Vormittag dem Schreibtisch gewidmet, die eintreffenden Mails mit Lösungen durchzulesen und zu schauen, wo noch Lücken sind. Dann haben immer noch nicht alle Schüler geantwortet. So kam heute morgen die Kavallerie, und schwupps, lauter Emails im Konto. Mit Entschuldigungen wie „falsche Emailadresse“, „wir wussten nicht, dass…“ , und „welches Passwort sollen wir eintragen?“ Die Pubertät und die Isolation legen wesentliche Gehirnteile lahm. Das Ausredezentrum ist nicht betroffen, das flutscht  noch.

Ein ganz wunderbarer Mensch hat bei Twitter eine  Aufstellung  gemacht über digitale Angebote für alle Leute. Wer da nix findet, ist selbst schuld. ( danke Schöner Blog).

Ansonsten ist das Knie noch dicker geworden. Und die Wunde sieht merkwürdig aus. So lande ich bei Tante Doktor. Die Praxis ist ein Hochsicherheitstrakt. Lehrling und Praktikant verstoßen gegen mehrere Vermummungsverbote. Ein Patient bei der Doktorin, einer im Wartezimmer, der Rest frei verteilt auf  dem Parkplatz. Da muss ich jetzt an die Thermodynamik von Gasen denken, die Gasteilchen bewegen sich frei und füllen jeden verfügbaren Raum aus. Allerdings bewegen sich Teilchen und knallen aufeinander. Das gilt nicht für Patienten auf Parkplätzen. Die bleiben stehen. Jedenfalls ist das Knie im Normbereich von Knien, die mit einer Schürfwunde direkt auf einem Bluterguss ausgestattet sind.

Am Nachmittag wird gefacegetimet mit der Sprachkurskollegin. Hausaufgaben. Wir sehen uns und quatschen, das ist schön.
Ansonsten ist es sonnig und immer noch saukalt draußen.

Frankieboy über das Leben.

But I know I’m gonna change that tune
When I’m back on top, back on top in June

Corona siebzehn

Das Wort, das mich seit Tagen lächeln lässt, ist Homo fizz. Habe ich von Twitter. Ein Vater hat das Wort noch nie gelesen und kann kein Englisch.

Eigentlich habe ich keine Ahnung, wie es bei den Schülern zuhause zugeht mit dem Aufgaben machen. Ich ahne es aber. Die einen schicken die Arbeitsblätter von Sonntag Abend direkt ausgefüllt am Montag Morgen. Wieder andere melden sich Anfang der dritten Woche, sie wüssten nicht, wie sie auf das Filmportal kämen. Ich möge ihnen doch das Passwort schicken. Ja, mach ich. Es steht übrigens oben auf jedem der Aufgabenblätter der letzten beiden Wochen.
Auf der Skala von null bis zehn des höchsten Schnarchnasenkoeffizienten hat das Kerlchen die elf geschossen.

Heute bin ich ein bißchen durch die Gegend gefahren, einfach nur so. Rumspazieren geht schlecht, das das Knie noch schmerzt. Stehfahrrädchen geht aber. Eigentlich wollte ich in den Garten, ein eisiger Wind hält mich ab. Am Telefon die Trauer einer Oma, die ihre Enkelkinder zur Zeit nicht sehen kann. Und die Einsamkeit eines Freundes in einer Riesenfirma mit geschlossener Kantine.
Es heißt  übrigens nicht home office, sondern mobiles Arbeiten, wenn man zuhause ist. Home office ist es, wenn der Arbeitgeber den Raum und die Einrichtung zahlt.

Das Lied zum Tage. Und mein erster spanischer Satz. Ich habe ihn auf dem Shirt eines anderen Schülers im Bus gelesen. Und dann meine Englischlehrerin gefragt, was es bedeutet.

Corona sechzehn

Seit über zwei Wochen schon sitze ich in der Hütte. Gelegentliche Spaziergänge und Einkäufe unterbrechen den Tagesablauf. Eingesperrt durch Regelungen und mich selbst. Mein Immunsystem ist ein Baby, und keiner weiß, wie es mit einer Infektion umgeht. Nun, wir alle sind ja Nachkommen von Menschen, die allerhand Schlimmes hinter sich gebracht haben. Und sie haben überlebt, sonst gäbe es uns ja nicht.
Das Bild hier hatte lange über dem Schreibtisch hängen.

Draußen schneit es und ich tigere  durch die Bude. Mein Pfirsichbäumchen,  das dumme Ding, fing gerade gestern an zu blühen. So wird es wieder nichts mit der Weinbergpfirsichernte in diesem Jahr.  Diese Schreibtischarbeit ohne Menschen ist nichts für mich. Wenn ich wenigstens aufs Meer schauen könnte.

Mein Wappentier ist der Panther.

DER PANTHER

IM JARDIN DES PLANTES, PARIS

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.

Thomas Gottschalk hatte eine von Rilke handgeschriebene Version des Gedichtes an der Wand seiner Villa in Malibou hängen. Es ist mit dem Haus verbrannt. Gottschalk sagte in einem Interview, dass er es seiner damaligen Frau sehr nachträgt, dass sie die Katzenkörbe gerettet hat, aber sein Gedicht hat verbrennen lassen.

Wegen dieses Gedicht  war ich extra mal in Paris im Jardin des plantes. Und den Käfigen. Furchtbare Zustände da. Das ist allerdings schon ewig her. Vielleicht leben da jetzt keine Raubkatzen mehr.

So, jetzt noch ein Lied für all die, die Sternschnuppen sammeln.