Tempi passati oder Ein Tempo fliegt vorbei.

Wenn ich ein Selfie mache, ist immer eine Fremde mit auf dem Bild. Brauche ich ein Foto für einen Ausweis, suche ich erst Kisten und Schubladen hab, bis ich was Passendes finde. Meist hat es der Schulfotograph gemacht, irgendwann. So habe ich ein riesiges Durcheinander, eine Reihenfolge in Jahren gibt es nicht. Spiegel benötige ich, um zu gucken, ob der Lippenstift sich an den Rand hält, die Hose lang genug und ohne Flecken ist und ob alles zusammen passt, was ich angezogen habe. Meine Frisur ist keine und kommt durch Schütteln in Form.
Ich suche nicht nach Alterzeichen, Falten, Flecken. Beruflich bin ich ja immer mit Jugendlichen zusammen, also in einer Zeitschleife gefangen. Nur manchmal stelle ich fest, dass die Zeit vergangen ist. So habe ich am Wochenende in einem Hotelzimmer einen prima Spiegel vorgefunden für ein Ganzkörperfoto. Ich guck ein wenig traurig drauf, und ich sehe Schatten unter den Augen. Ist das Kindergesicht nach so vielen Jahren weg? Ja, so sieht es aus. Es ist nicht schlimm, es ist einfach so. Es sind auch die Spuren der letzten Jahren. Verwunderlich wäre es, wenn man es nicht sehen würde.
Andere beschäftigen sich auch mit der vergehenden Zeit.
Annika fragte sich schon als Kind, woran man erkennt, dass man erwachsen geworden ist. Und Frau Freitag sieht das Positive am Älterwerden im Hosenkauf widergespiegelt.

Wurmiges

Beruflich bin ich Erklärbär, Beschäftigungsbär und Bildungsbär, meist eben ein Irgendwasbär.
Im Rahmen dieser Tätigkeit bringe ich das Tier- und Pflanzenreich an das Kind. Was zuerst leicht erscheint, dann aber schnell hakt, weil sich das Normkind von dreizehn Jahren kaum für Pilz und Moos, Farn und Wurm erwärmen kann. Außer natürlich es gibt etwas Spektakuläres zu berichten, am besten ekelig, grausam oder monsterig, dann findet es seinen Weg in die jugendlichen Gehirnwindungen. Hässliche Pilze mit monströsen Namen und absolut grauenhaften Vergiftungserscheinungen sind der Renner. Mit der Herstellung von Hexensalben könnte ich mein Gehalt und meinen Ruf aufbessern.
Nun sind wir bei den Ringelwürmern angelangt, nett segmentiert mit eleganter Fortbewegung durch wechselseitiges Zusammenziehen von Längsmuskeln und Ringmuskeln. Nun, das nimmt man müde lächelnd hin. Dass er aber Zwitter ist, weckt die ganze Bande und führt zu wahren Begeisterungsstürmen. Zwitter! Nein, sowas. Als Biologielehrerin ist man bezüglich Sexualität aller Ausprägung ja reichlich abgebrüht und es ist einem nichts peinlich. Und trotzdem freut man sich an der Begeisterung, die die Fortpflanzung eines Würmchens hervorruft.
Nun, möchten Sie auch ein bißchen Spaß haben? Dann googeln sie doch mal Wurmfarm.
Es gibt richtige Starterpakete und auf youtube berichten Menschen ganz ausführlich, was sie nun den kleinen Lebewesen zu fressen geben. Einer nimmt ihnen sogar die Pflanzenreste weg und füttert sie mit Kaffeepulver. Was sie natürlich munter macht, ein wahres Coffeinballett wird da vorgeführt.
Dass dann, wenn mal einer tot ist, alle sterben, verwundert ihn. Naja, bei der einseitigen Ernährung.
Der andere hatte die Kisten zuerst in der Wohnung, das sich aber dann als nicht so praktisch erwies.
Hier zum Anfüttern zwei Vorschläge. Sie erzählen mir dann, ob sie auch schon eine haben, oder eine planen? Ja? Bin gespannt. Meine Zöglinge werden jedenfalls ihren Spass daran haben

Oh, den Coffeinjunkie hatte ich glatt vergesse. Hier, bitte, der Nachtrag: