Charlie Romeo Oscar Charlie Oscar

Zahlenreihen kann ich nur in Zweierpäckchen vorlesen. Bevor ich schreiben konnte, konnte ich morsen. Und ich wusste, wie man codiert, bevor ich wusste, was das ist. Ich buchstabierte nach dem nationalen und dem internationalen Buchstabieralphabet.
Als Tochter einen Funkers ist das recht normal.
Nach einer Kaufmannlehre war mein Vater mit sechzehn eingezogen worden zum Arbeitsdienst. Es konnte sich immer gut konzentrieren und vieles merken, und so wurde er unter vielen ausgewählt zur Funkerausbildung. Und dann kam er noch in den Funkwagen des Oberkommando West. Mehr Funkerehre gab es nicht. Er war froh drum, alles Militärische war ihm so fremd. Auch alles Nazionalsozialistische. Ihretwegen war er vom Gymnasium geflogen, ein Leben lang war das seine große Wunde. Er hätte gerne Abitur gemacht. Studiert. Doch damals war keine Zeit für anständige Menschen. So war er mit siebzehn im Krieg, und mit neunzehn wieder zuhause.
Ich habe ihn gefragt, ob er je einen Menschen erschossen hat. Er sagte, er glaube es nicht, er hätte immer höher gehalten. Im Rückzug gab es Gefechte mit Partisanen. Uns hat er erzählt, wie die Franzosen ihnen das Hühnchen klauten, das sie ganz geheim im Funkwagen gehalten hatten. Und dass es nichts Schlimmes sei, sich unter den Funkwagen zu rollen und sich tot zu stellen. Viel später habe ich im Radio ein Feature gehört über einen Partisanenüberfall auf eine bestimmte Kompanie, deren Nummer mir so bekannt vorkam. Es war ein schlimmes Abschlachten, kaum einer hatte überlebt. Als ich nachfragte, sagte er nur, ja, das waren wir.
Er hatte mehrfach Glück. Aus Versehen setzte er sich nach dem Heimaturlaub in Paris in den falsche Zug, Lyon statt Bordeaux. Als er über Umwege doch dort ankam, war seine Kompanie schon abgeordnet worden, nach Stalingrad.
Den Funkwagen sollten sie retten, dann die erst später so genannte Enigma, die Verschlüsselungsmaschine und das Codebuch, nach dem man die Walzen und Stecker im Stundentakt wechseln und umstöpseln musste. Sie haben es nicht geschafft. Der Funkwagen landete irgendwo im Graben, er war sehr schwer, und alles andere an Geheimzeugs versenkten sie dann in einem Bach. Den Revolver warf er zum Schluss in die Partnach in Garmisch, kurz bevor er in Gefangenschaft kam. Er hat nie wieder eine Waffe angerührt, nicht mal um auf dem Rummel seinen Töchtern Rosen zu schießen.
Waren es zuerst die Franzosen und dann die Amerikaner, die ihn verhafteten? Aus beiden Lagern entkam er mit Klugkeit und Mut. Sie sparten geheim Benzin, schnappten sich ein Auto, fuhren zur Entlasstelle und stellten sich einfach in die Reihe.
Jeder junge Mann, der frei rumlief, wurde einkassiert. So marschierte er bei Nacht ins Schwäbische, fand einen Bauern, der ihn versteckte und bei dem er ein halbes Jahr arbeitete. Bis ihn seine Schwester mit dem Fahrrad abholte, tags schliefen sie im Wald, nachts zogen sie weiter mit vielen anderen abgerissenen Gestalten. Wieder zuhause, er war 19 Jahre alt, kam als erstes der französische Kommandant ins Haus. Zuerst hatten alle Angst, nichts Gutes könne das sein. War es aber doch. Er hätte gehört, dass das das einzige Haus ohne Hakenkreuzflagge gewesen sei und dass auch keiner der Familie in der Partei gewesen wäre. Ja, man bestätigte ihm das. Er brauche ordentliche Leute für die Verwaltung. Und so hatte er mit 19 eine Abteilung zur Nahrungsbeschaffung im ganzen Kreis unter sich. Es sagte, er kannte jede Mühle und jedes Rindvieh persönlich. Nach ein paar Jahren wollten sie, dass er zum Beamten wurde. Seine Position ginge nicht ohne. Doch, ohne ihn. Nie wieder würde er einem Staat trauen, nie wollte er einem Staat dienen. Dass seine Tochter genau das anstrebte, hat ihn sehr geschmerzt. Er war gütig, herzlich, unglaublich lustig und schlagfertig. Nur manchmal kam eine Wut über ihn und er warf Gläser auf den Boden. Und nachts kamen die Alpträume, er schrie, erzählte dann aber nichts.
Die Nazis hatte er genau im Auge, er wusste wer einer war. Dass seine CDU versuchte, sie rauszuhalten, glaubte er. Er war zutiefst religiös. Der jetzte Papst hätte ihm sehr gefallen. Nun, er hat es nicht erleben dürfen, auch das Wiedererstarken der Rechten nicht. Er hätte ihn wütend gemacht.

Nachtrag: Hier erfahren Sie, wie das Morsen geht und was Morsezeichen mit der Heute-Sendung und der Musik von Kraftwerk zu tun haben.
Näheres zur Codiermaschine ENIGMA.

Automatische Codierung1

Automatiische Codierung 2

Einfache Merkhilfe

Merkhilfe mit Rhythmus

Unblogbar

Für heute habe ich mir nichts vorgenommen, gar nichts. Und schon fange ich an zu malen, ich plane Kühe.
Und ich denke über eine Geschichte nach, die ich dem Besuch am Wochenende erzählte habe über Bekannte meiner Eltern. Der Boden stand voller Kochtöpfe mit Resten für die Katzen und die Tische voller Essen der letzten Tage für die Menschen. Außer Schnaps konnte man da nichts trinken. Man saß dann halt im Garten, der wunderschön war. Die buntesten Stauden, die schönsten Blüten. Neben dem Brotberuf war er noch Maler. Ein Bild hab ich von ihm geschenkt bekommen. Sein Bruder und er erzählten Geschichten von der Flucht und dem Böhmerwald in so einer warmen Sprache und mit solch glitzernden Äugelein, dass es eine wahre Freude war. Und die zahlreichen Kinder sahen aus wie blondgelockte Engelchen. Sie waren es nicht, das ist aber wohl immer so. Diese Sommertage im Garten waren immer voller Freude, Licht und Zauber. Sie leben nicht mehr in dem Haus, es ist verkauft und Geschichten gibt es ab und an noch über das Telefon. Meine Mutter besucht sie von Zeit zu Zeit im Heim.
Und der Geschichenerzähler hat einen Wikipediaeintrag. Sowas fällt einem wieder ein, wenn man mit interessiertem Besuch über Geschichten spricht, die man nicht bloggen kann.

Morpho

Blauer Schmetterling

Flügelt ein kleiner blauer
Falter vom Wind geweht.
Ein perlmutterner Schauer,
glitzert, flimmert, vergeht.
So mit Augenblicksblinken,
so im Vorüberwehn,
sah ich das Glück mir winken,
glitzern, flimmern, vergehn.

Hermann Hesse
 
 

Welches ist Ihr Lieblingsschmetterling?
Meiner ist der Morpho.
In irgendeiner Kellerkiste habe ich zwei Exemplare, eines ein Familienerbstück, das andere ein Mitbringsel aus Brasilien. Lebend mag ich sie einfach lieber. Im Schmetterlingsgarten in Luxemburg flattert er einem um die Ohren. Sie sind so groß wie eine Handfläche und von einem betörenden Blau, zumindest auf der Oberseite. Klappen sie zusammen, sieht man gemustertes Braun. Das Blau ist kein Blau im eigentlichen Sinne, also kein Farbstoff. Es entsteht durch Lichtbrechung an den Schuppen der Oberseite. Deshalb schillern die Flügel so.
 

 
 

 
Wenn man ihn erst auf einem Blatt hat, kann man ein bißchen am Blatt zupfen, dann gehen die Flügel zu. Pustet man dann vorsichtig drauf, gehen sie wieder auf. Eigentlich sollte man das nicht tun, das nervt die Tiere sehr. Doch ein Mal geht schon, denke ich.
So sieht übrigens die Puppenstube der Bananenfalter aus.