Barsch und Krebs

Mit einer Biologin zu verreisen, kann anstrengend sein. Umwege wegen einer Allee aus Baumfarnen, Touren entlang von Entwässedungskanälen, weil es da Seidenreiher gibt und eben Geierkolonien können da schnell tagefüllend werden. Es ist einfach die Freude, ganz besondere Lebewesen zu sehen. Und wenn es den Waran eben nur im Zoo gibt, dann geht es da hin. Dabei geht es nie um die Vollständigkeit. Das habe ich mir schon in den ersten Wochen des Biostudiums abgeschminkt. Man kann nie alle Tiere und Pflanzen kennen. Aber die besonderen schon. Und man muss wissen, welche Merkmale wichtig sind um sie bestimmen zu können. Ganz ehrlich, es ist einfach die Freude an der Vielfalt des Lebens. Dieses „überall ist Wunderland“.
So gibt es zwischen Schengen und Remich ein paar ehemalige Kiesgruben, die ursprünglich als Standort für ein Kernkaftwerk geplant waren. Massiver Widerstand der Bevölkerung lies schon in den 70ern die luxemburgische Regierung ihre Meinung überdenken, und zu beschießen, die Seen zu renaturieren und das mit der Kernkraft erst garnicht anzugefangen. Frankreich hat dann alleine losgelegt und Cattenom gebaut. Die drei rauchenden Kühltürme sieht man fast von jeder Ecke aus am Horizont vor sich hin dampfen.
Das Naturschutzentrum Haff Réimech besteht aus einem großen Informationszentrum umgeben von mehreren recht tiefen Seen. Einer davon ist Badesee, die anderen sind Brutgebiete vieler verschiedener Wasservogelarten. Man kann gut drumrum spazieren und beobachten. Vogelfotographen mit ihren riesigen Objektiven sind unterwegs, sie tragen sie wie Babys im Arm. Es gibt sogar Stellen, wo man fischen darf. Zwei ältere Herren erklären uns wie das geht in einer so bezaubernden Sprache zwischen Saarländisch und Französisch. Wenn man denkt, Jean Claude Juncker ist ein Einzelfall, so muss ich widersprechen: sie sind alle so, also fast alle, charmant und herzlich und lächelnd.
Den Barsch hier haben sie behalten, die anderen Fische werden großzügig wieder ins Wasser geworfen. Wie man dem Barsch fachgerecht die Rückenflosse entfernt, die Haut abzieht und ihn ausnimmt, lass ich mal weg.
Um die Ecke werfen drei Jungs Reusen ins Wasser. Sie fangen Krebse und zeigen sie uns auch. Ach, das ist er ja, der Amerikanische Flusskrebs, der Kamberkrebs. Essen kann man ihn, ja, aber eigentlich darf man ihn nicht einfangen. Ein bißchen Brot reicht, sagen die Jungs.
 

 

 

 

 

 

 

 

Über Gipfel und Wipfel im Zipfel

Berühmt wurde die Saarschleife duch dieses Bild der sorglosen Fröhlichkeit: Lafontaine und Schröder.
Heute sind die Frauen ausgetauscht, die Macht ist weg.
Den Platz, an dem die Paare saßen, gibt es noch.

Doch das Drumrum wurde aufgehübscht. Es gibt einen Baumwipfelpfad mit vielen Erläuterungen, spielerisch, interessant und mehrsprachig. Genau das braucht man da, Französisch hört man, Luxemburgisch, das Amerikanisch der Soldaten, die hier in der Nähe stationiert sind. Der Pfad führt zu einem Turm hoch über den Baumwipfeln.
 
 


 

Auf dem Turm zeigen Pfeile in alle Himmelrichtungen, nach Trier, nach Metz, nach Luxemburg. Und Richtung Villroy & Boch, dem Arbeitgeber in der Ecke, mit Fabrikverkauf. Vor Jahren, als es noch Schnäppchen im realen Leben gab, war es interessant und günstig da. Mitterweile ist es eine Anhäufung von Geschäften, die die Illusion von outlet verbreiten. So viele Fehlproduktionen und letztjährige Ware kann es doch nicht geben, dass man alle Outletcenter Deutschlands bestücken kann. Nun, es gibt interessantere Hobbies.
Jedenfalls ist der Platz sehr schön, und kühl ist es so hoch über dem Boden auch. Es scheint aber nicht allen gut zu gehen. Eine Menge ausrastender Kleinkinder pflastern den Weg zum Turm. Leider hatte ich nur einen Lolly um den ersten zu bestechen.
Der Blick von oben ist übrigens atemberaubend.

 

 

 

 

 

Baumwipfelpfad Saarschleife

Tintin, die Römer und der Frieden

Das Alltagsbloggen hab ich ein bißchen einschlafen lassen. Das Wortschnittchen sitzt nun in Chile, zumindest meistens, und möchte halt wissen, wie es uns so geht, den Bloggern. (Lesen Sie bei ihr bitte ihre bezaubernde Liebesgeschichte)

Nun, ich sitze hier auf dem Balkon mit Blick auf die Mosel und denke darüber nach, welch große Bedeutung dieser kleine Zipfel Land doch hat. Unter mir ist Luxemburg, am anderen Ufer liegt Deutschland und ein paar Kilometer weiter ist Frankreich. Was man heute am Tag der Fussmallweltmeisterschaft gemerkt hat. Nein, kein Korso, iiiihhhh, bewahre, aber man schrie schon recht laut bei den französischen Toren.

Im Zipfel genau zwischen den drei Ländern liegt Schengen, ein Minidorf mit riesiger Bedeutung. Hier wurde wirklich Geschichte geschrieben, es gibt ein kleines Museum, ein Betonschiff mit Europasouvenirs und Bronzesäulen mit all den Ländern, die ihrer Grenzen öffenne. Welch Ort der Hoffnung in diesen finsteren Zeiten!

Das hier beschlossene Abkommen hat dazu geführt, dass wir rumfahren können, wo wir wollen, auf Feldwegen von Frankreich nach Deutschland und dann wieder zurück nach Luxemburg. Einfach so, ohne Grenzbeamte, ohne „ Steigen Sie bitte aus und öffnen Sie den Kofferraum“ wie wir das früher kannten. Ich bin alt genug zu wissen, was wir verlieren würden.

Auf französischer Seite gibt es eine Burg Malbruck, der Name ist eine Verhohnepiepelung des Feldherren Malborough, der hier seinen Stützpunkt wählte und eine Armeee mit 100.000 Soldaten versorgen musste. Was ihm nicht gelang. Nun hier ist alles Geschichte, und keine schöne. Durchziehende Heere, Schlachten, Kriege. Und wir spazieren vergnügt darin herum. Wie wertvoll ist der Friede, wie schön ist es, nicht um sein Leben fürchten zu müssen, nur weil man an einer Durschmarschstrasse wohnt. In der Burg gibt es jedenfalls eine Ausstellung zur Zeitschrift Tintin, Comics überall. Und wenn man die europäischen Comics anschaut, mit all ihrer Detailliebe und ihrer Mimik der Figuren, kann man getrost die glubschäugigen Disneykandidaten vergessen. Man ist von Raum zu Raum mehr fasziniert. Teilweise kenne ich die Helden aus Kindertagen. Tim und Struppi und viele nadere. Nur fage ich mich, wie ich damals zu belgischen Comics kam.

Gleich um die Ecke bei Perl gibt es eine wieder aufgebaute römische Villa mit römischem Essen, Gärten mit Gewürzpflanzen  und einen Glasbläser bei der Arbeit. Er erzählte, dass es Wissenschaftler in England gibt, die das römische Glas analysiert haben und auch genau nacharbeiten können. Und er baut es auch nach! Den Lehmofen hat er selbst gemacht, mit Holz erreicht er die nötige Temperatur von über 1000 Grad. Erwärmen nutzt nichts, sagte er, man braucht für Glas den Materiestrom der offenen Flamme. Die Farben sind noch was wunderbares. Ich bin ja vom Fach, so erläuterte er, dass das Hellgrün vom zweiwertigen Eisen aus dem Sand kommt. Farbloses Glas kann nur vom eisenfreien Quarzsand hergestellt werden. Das Blau kommt vom Kobalt, Rosatöne von Mangan in seinen verschiedenen Oxidationsstufen sogar bis zum Lila. Den Trick mit Gold hat er mir auch verraten. Glasscheibe, abkühlen lassen, Goldfolie drauf, nochmal ne Glasscheibe. Es gibt in London im British Museum wohl ein römisches Glas, das mit kolloidalem Gold und Silber hergestellt wurde. Rot und schimmernd. Doch bis heute kann das noch keiner nachmachen, nichtmal die weltberühmte Fachfirma. Nein, keine Namen.

Die Grundrisse der Villa hat übrigens ein Dorfschullehrer entdeckt, der bei seinen Spaziergängen im Wald merkwürdige Erderhebungen fand und dann beim Graben Römisches fand. Nun, man hat alles rekonstruiert, aus dem Wasserhahn im Bad tropft sogar das Wasser.

So, jetzt hab ich den Bauch voll mit wunderbarem Essen und ziehe mich gepflegt zurück. Und bitte, an der Mosel nur auf luxemburgischer Seite Essen gehen, oder auf französischer. Der Wein ist göttlich! ( ja, das Risiko einer fulminanten Migräne gehe ich heute ein)

 

Schengen

 

Villa Borg

Schloss Malbrouck