Corona einunddreißig

Heute wird es schulisch. Wenn Ihnen schlecht wird bei dem Thema, schauen Sie sich einfach nur das Video an.

So, Mitte der Woche soll also entschieden werden, ob und wie man die Schulen wieder aufmachen. Und was man mit den in den Startlöchern sitzenden Abiturienten macht. Die Leopoldina hat heute vorgelegt. Der Server ist anscheinend in die Knie gegangen, man kann es nicht nachlesen.Leopoldina

Wenn ich von mir ausgehe, könnte man am liebsten morgen wieder mit der Schule beginnen. Ich will keine Flut von Emails mehr bekommen, will nicht mehr hinterher forschen, wer nun warum was nicht gemacht hat, ohne irgend ein Gesicht zu sehen. Videochats sollen wir ja nicht machen, da nicht alle Schüler Zugang haben. Aber die Schule, die ich kenne, wird es nicht mehr geben. Und ich bin Risikogruppe, mein Immunsystem ist ziemlich schlecht.

So, aber meine private Meinung ist nicht gefragt. Fachleute sollen einen geordneten Einstieg planen. Aber was ich im Moment lese, sind es eher Wirtschaftsinteressen, die das alles antreiben. Fachleute höre ich keine.

Hier meine Überlegungen aus gymnasialer Sicht. Für Grundschulen, Förderschulen, Berufsschulen und Kollegs sieht wahrscheinlich vieles anders aus.

  1. Abstand.
    Wie sollen wir in unseren jetzt schon engen Klassenräumen für jeden der 30 Schüler einen Abstand von 2 Metern garantieren? Wir können dann vielleicht in Schichten unterrichten. Erst zwei Stunden Bio für die ersten zehn Schüler der Klasse 9, dann die zweite Gruppe, dann die dritte Gruppe. Währenddessen haben die anderen Französisch und Mathe.

  2. Lehreranzahl
    Das heißt für eine Klasse an einem Vormittag drei Lehrer. für 30 Mittelstufenklassen wären das 90 Lehrer. Für die Oberstufe würde das selbe gelten.Die Abiturienten sind schon weg. Also müssten 200 Schüler in 10er- Pakete eingeteilt werden. Das wären dann nochmals 20 Lehrer. Also 110 Lehrkräfte, wir haben etwas über 70. Da sind jetzt Deputate nicht berücksichtigt. Die Kollegen müssten dann mindestens doppelt so viel unterrichten pro Woche als bisher. Was nicht möglich ist. Berücksichtig sind nicht die Kollegen, die Risikogruppen angehören, Vorerkrankungen haben, Teilzeit haben.

  3. Die Räume sind nicht da. Man kann nicht die dreifache Raumzahl aus dem Boden stampfen.

  4. Wie kommen die Kinder zur Schule? Abstand im Schulbus? Die dreifache Busanzahl plus Fahrer gibt es nicht.

  5. Vormittag, Nachmittag.
    Wenn eingeteilt werden soll in Vormittag und Nachmittag, könnte man die Busse entlasten. Aber die Eltern müssen ja wieder arbeiten. Am Morgen von ca. 8 bs 14 Uhr sind 6 Stunden Unterricht, von 14 Uhr bis 20 Uhr ist dann die nächste Schicht. Die Kinderbetreuung ist dann in den anderen Zeiten auch nicht gesichert.

  6. Wie sollen die Pausen verlaufen? Versetzt und ohne Gang an die frische Luft?
    Sitzend auf dem Stuhl? Das ist in den Grundschulen schon in den normalen Stunden kaum möglich.

  7. Wie ist der Einlass ins Gebäude am Morgen und der Entlass am Mittag?
    Einzeln wie beim Bäcker?

  8. Und wie sieht es aus, wenn man nur die Prüflinge nimmt?
    Also die Abschlussklassen? Organisieren ließe sich das. Doch psychologisch ist es problematisch. Nichts ist normal, viele stehen unter Belastung von kranken Angehörigen oder eben nur der Isolation. Lerngruppen müssen entfallen.

  9. Die Prüfungssituation im Schriftlichen müsste organisierbar sein.
    Aber was ist, wenn nur ein Schüler krank ist und andere ansteckt? Oder ein Lehrer? Die Klagewelle mag ich mir nicht vorstellen.
    Die mündlichen Prüfungen haben wir durchgeführt, unter strengsten Bedingungen, Einlasskontrolle, Prüfungen über die Gebäude verteilt, laufende Flächendesinfektionen. Und nur die Prüfer und der Prüfling im Raum.
    Die Nervosität gegenüber normalen Prüfungen waren immens.
    Und das soll für ganze Jahrgänge in großen Hallen funktionieren?

  10. Hände waschen? In den kleinen Schulklos? Es haben längst nicht alle Klassenräume fließend Wasser.

  11. Keiner hat sich bisher mit dem Verhalten von Kindern und Jugendlichen auseinander gesetzt. Vernunft ist mitunter keine Ihrer Kernkompetenzen.

Die schleswig-holsteinische Schulministerin ist vorgeprescht mit dem Vorschlag, einfach alle Vornoten zu nehmen und die im Mittelwert als Abiturnote einzusetzen. Eine Superidee. Doch die Kollegen haben sie zurückgepfiffen. Dann würde das Abitur ja nicht gelten und sei nichts wert. Wieso das denn nicht?
Wenn die Bedingungen bundesweit für alle gleich sind?

Ich habe den Eindruck, hier diskutieren und entscheiden Menschen, die seit ihrer Schulzeit keine Schule mehr betreten haben. Und die kaum eine Vorstellung von schulischer Organisation und Verhalten von Kindern und Jugendlichen haben.

Die Schulminister der Länder zeichnen sich jedenfalls nicht durch Schulerfahrung aus. Die allermeisten haben Jura oder Politik studiert, nur Ties Rabe,der Hamburger Schulsenator ist tatsächlich Lehrer und hat unterrichtet, ein exotisches Pflänzchen.
Kann sich übrigens einer einen Justizminister vorstellen, der nicht Jura studiert hat? Sehen Sie.

14 Gedanken zu “Corona einunddreißig

  1. Wenn ich mir auf Seite 18 anschaue, wer als Mitglied der Arbeitsgruppe aufgeführt wird, kommen mir erst recht Zweifel.

    Es sind zwar ein paar Bildungsforscher, Pädagogen und Psychologen genannt, aber Epidemologen und Virologen sind mir nicht aufgefallen. Oder habe ich da etwas übersehen?

  2. Genau darüber haben mein Mann und ich gestern auch diskutiert. Unsere vier Enkel gehen in Grundschulen, die immerhin den Hygienestandard erfüllen könnten. Alle anderen Probleme sehen wir als schwer lösbar an. Worüber ich bisher nichts gehört habe sind Kinder, die einer Risikogruppe angehören. Was ist mit ihnen?

  3. Ich fände es schon einen Fortschritt, wenn die Kinder alle zwei Tage in die Schule könnten. Da könnte man die Klassenstärke halbieren und die Hausaufgaben besser betreuen. Das Problem mit der Kinderbetreuung an den schulfreien Tagen wäre damit aber nicht gelöst. Abstriche an der Menge des Unterrichtsstoffes wird man wohl in Kauf nehmen müssen.

    • Ich glaube, das mit dem Unterrichtsstoff können wir im Moment vergessen.
      Es muss einfach Struktur rein. Entweder tageweise, oder wochenweise. Dann bleibt die Stundentafel und es wird jeweils nur ne halbe Klasse beschult.
      Wenn es klappt mit der Hygiene. Fachräume wie Biologie sind ja immer groß und gut ausgestattet mit Waschbecken.

  4. Ich sehe die geplanten Schulöffnungen kritisch und bin skeptisch, ob man hier ein bundesweit einheitliches Vorgehen hinbekommt. Meine Kinder lernen am Gymnasium in der 6. und 12. Klasse. In den Klassenstufen 5 – 12 gibt es insgesamt ca. 700 Schüler, die von ca. 60 Lehrern unterrichtet werden. Ziehe ich mal die Lehrer ab, die wg. Vorerkrankungen o.ä. wahrscheinlich vorerst zu Hause bleiben werden kann ich mir schwer vorstellen, wie man so viele Schüler dann gestaffelt unterrichten will. Von den räumlichen und hygienischen Mögöichkeiten mal abgesehen. Nun sollen hier in Sachsen nach den Osterferien am 20.04. die Schulen zuerst für die Abschlussjahrgänge geöffnet werden, also für die Klassen 10 und 12. Die Prüfungsvorbereitung erfolgte bisher weitestgehend allein durch die Schüler zu Hause, lediglich 4 Tage lang gibt es nun noch Vorbereitung/ Konsultationen in der Schule. Was passiert, wenn Schüler an Prüfungs- und Nachholterminen durch Krankheit, Quarantäne etc. verhindert sind? Mein Sohn kann nicht verstehen, was an einem „Durchschnitts-Abi“ so schlimm wäre, schließlich hat er dafür ja auch hart gearbeitet. Ich kann’s ihm auch nicht erklären.

    • Genau so sehe ich das auch. Es ist ein Risiko, das Entscheider für andere eingehen. Wenn nur einer krank wird….An einem Durchschnittsabi ist nichts, aber auch gar nichts schlimm. Meist gleichen sich doch die Vornoten und die Ergebnisse der schriftlichen Prüfungen. Aber was immer so war, kann doch plötzlich nicht mehr gelten. Doch, genau so ist es.
      Mein Patenonkel hat zu Kriegszeiten ein Jahr vor dem Abitur ein Notabitur verpasst bekommen, ohne Prüfung, ohne alles. Und wurde dann an die Ostfront geschickt. Das ging offensichtlich problemlos.

      • Nun ist schon wieder vieles anders geworden. Unterricht findet gar nicht mehr statt, lediglich einzelne Konsultationen in den schriftlichen Prüfungsfächern sowie eine Prüfungseinweisung. Zu den mündlichen Prüfungen ab ca. Mitte Mai gibt es noch gar keine Aussagen. Ich frage mich was passiert, wenn ein Schüler zumindest in einem Fach durch Quarantäne/ eigene Erkrankung an keinem Termin teilnehmen kann. Platzt dann der Ausbildungsvertrag, weil das Schuljahr wiederholt werden muss? Das ginge ja zu Lasten des Schülers, was eigentlich nicht passieren soll. Oder gäbe es dann dort eine Durchschnittsnote? Diese ganze Ungewissheit setzt den Schülern auch zu und macht es nicht leichter. Mein Sohn schwankt zwischen Wut, Verzweiflung und Resignation. Und als Eltern kann man leider nicht wirklich helfen. Alles sehr unschön gerade.

      • Man muss sich darauf verlassen, dass sich alles fügt. Irgendwie geht es weiter. Und ich denke, dass nichts geschehen soll zum Nachteil der Schüler.

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