Corona dreiundfünfzig

Heute muss ich rumschimpfen. Überall lese ich, die Digitalisierung der Schule muss vorangetrieben, und die Lehrer endlich fortgebildet.
Wie ist die Situation?
Zur Hardware. Wer hat meinen Computer, mein Ipad und mein Iphone bezahlt?
Ich.
Wer hat meinen Drucker bezahlt, das Papier, die Speichermedien?
Wer bezahlt all die Software mit Updates?
Wer hat all meine Bücher bezahlt, die ich benötige und ganz bestimmte Sachen zu verstehen? Ich.
Wer bezahlt mein Arbeitszimmer, die Heizung, das Mobiliar, all das Bürozeugs? Ich.
Ich kann alles von der Steuer absetzten, ja.

Aber ehrlich, welcher Finanzbeamte gibt privat so viel Geld aus für Berufliches. Und ich, die im mir alles selbst gekauft habe, muss mir vorwerfen lassen, ich hätte die Digitalisierung verschlafen. Und man müsste mich fortbilden.
Welche Fortbildungen? Wo?
Ich wäre ja gerne hingegangen.

Und all die Kinder und Jugendlichen, die nur ein Handy haben. Und die Aufgaben mühsamst auf der kleinen Tastatur tippen? Und mir dann Screenshots schicken? Und all die Familien, die einen Rechner haben, aber viele Kinder?
Nein, die sind nicht nur auf der Hauptschule, die sind auch auf dem Gymnasium. Wie sollen sie das schaffen?

Leute, was soll das? Wir mühen uns, soweit es geht. Ehrlich und ernsthaft. Aber wir sind am Anschlag.
Hunderte von Emails fluten unsere Postfächer. Auch mit Anfragen der Eltern. Und wir sichten. Wir dürfen keine Noten geben, wir sollen nichts korrigiert zurückschicken. Nur Ratschläge, Verbesserungsvorschläge.

Für uns klatscht keiner. Aber das braucht‘s auch nicht. Ich will nur nicht immer mit schuld sein in der Öffentlichkeit, wenn Eltern sich beschweren. Zu wenig Aufgaben, zu viel Aufgaben, schlechte Aufgaben.
Himmel noch mal! Wir haben uns das doch auch nicht ausgesucht.
Und dass Kinder nicht motiviert sind, ist uns bekannt. Das ist unser Beruf. Das ist die Didaktik, die Kunst des Lehrens, die wir anwenden. Es ist tatsächlich nicht nur eine Wissenschaft, sondern eine Kunst, Kinder und Jugendliche in großen Gruppen bei Laune zu halten. Warum sind wir nach 6 Stunden Unterricht platt und haben das Gefühl, einen Bahnhof geputzt zu haben? Mit dem Spüllappen?
Wir wissen genau, was Eltern mitmachen zu Zeit.
Genau das ist sonst unsere Arbeit.
Wir achten Eure, und wir hätten gerne, dass ihr unsere auch achtet.

So. Jetzt Musik.

Ein Unterricht, der nicht auf Abstand geht

Jetzt mit Heintje

15 Gedanken zu “Corona dreiundfünfzig

    • So ein schöner Artikel, danke sehr. Und dass die Kollegin sich über die Zeilen gefreut hat, das ist sicher.
      Ab und an bekomme ich Briefe, sogar Abschlussarbeiten von der Uni mit Dank für eine Hilfe, einen Rat, einen besonderen Tag, der einen Weg vorgezeigt hat. Manchmal erinnere ich mich sogar noch dran. Aber es ist mein Beruf, so wie ich ihn verstehe, Wege aufzuzeigen, Verborgenes zu bergen und Mut zu machen. Manchmal ist das eine einsame Mission.

      • Es gibt die Lehrer, die in Erinnerung bleiben, die ein Leben verändern und gewissermaßen sogar retten können. Denen ist man dann für immer dankbar.

      • So soll es ja sein. Und für fast jeden Schüler gibt es den passenden Lehrer, der ihn pragen kann. Die Vielfalt hat auch Vorteile.

  1. Zuerst einmal: ich habe grossen Respekt vor dem, was Lehrer leisten. Und jetzt muss ich es auch schon einschränken: viele Lehrer. Warum? Am Gymnasium, an dem meine beiden Kinder lernen, gibt es große Unterschiede. Es gibt Lehrer, die dem Schüler erklären, sie hätten ihr Abi schon und es wäre ihnen egal, was der Schüler lernt. Es gibt Lehrer, die einem Zehntklässler auf Rückfragen antworten, das müsse er schon seit der 7. Klasse wissen. Wenn der Schüler dann irgendwann aufgibt, wundert mich das nicht und ich zweifle, ob diese Lehrer den richtigen Beruf gewählt haben. Und dann wiederum gibt es Lehrer, die den Schüler als Mensch sehen. Die seine Lernschwierigkeiten ernst nehmen, Hilfe anbieten. Die in der Zeit der Prüfungsvorbereitung sogar am Wochenende Emails beantworten. Die einfach mal nachmittags bei der Sechstklässlerin anrufen und nachfragen, ob das klappt mit den Matheaufgaben im Homeschooling. Lehrer, bei denen man spürt, dass sie aus Überzeugung Lehrer sind. Ich sage diesen Lehrern auch, wie sehr ich ihre Arbeit schätze, eben weil es scheinbar nicht selbstverständlich ist. Lustig ist, dass es das für die besonders engagierten aber ist; es ist ihr Selbstverständnis des Lehrberufs. Und ich wünschte, es gäbe mehr davon.
    Wobei ich allerdings auch glaube, dass viele Lehrer aus einer Art Selbstschutz resignieren. Ich kenne auch Eltern, die ihre Kinder für unfehlbar halten und prinzipiell den Lehrer zum Sündenbock machen. Das ist auf Dauer wahrscheinlich auch schwer auszuhalten.

    • Das sehe ich auch so. Doch in meinem Beruf fällt das halt sehr auf. Wenn ein Elektriker nichts kann, weiß das kaum einer, und so wichtig ist das nicht. Man sucht sich einen anderen. Lehrer stehen immer unter Beobachtung, jede Bemerkung wird auf die Goldwaege gelegt. Und Eltern haben oft den Eindruck, ihr Wunderkind wird nicht besonders gefördert. Die Eltern und ihr Blick auf die KInder hat sich sehr verändert in den letzten Jahren.

      • Das stimmt, man steht als Lehrer immer im Rampenlicht. Und viele Eltern vergessen, dass die Kinder nicht nur gefördert, sondern auch gefordert werden sollen. Und dass jeder Fehler machen darf, das eigene Kind und Lehrer auch. Ich finde es falsch, wenn Eltern ihren Kindern das Gefühl vermitteln, Fehler würden immer nur die anderen machen. Zu was für Erwachsenen wachsen diese Kinder heran? Da sind Egozentrik und Kritikunfähigkeit doch schon vorprogrammiert.

  2. Liebe Frau Croco,

    Ich finde auch, es hat einen Grund, dass die Digitalisierung noch nicht so weit ist. Niemand konnte schließlich wissen, dass es so plötzlich nötig sein würde, denn in normalen Zeiten ist der normale Unterricht dem digitalen vorzuziehen, finde ich. Davon abgesehen, dass das auch alles sehr viel Geld kostet, für Geräte, die letztlich auch schnell wieder veralten. Geld, das woanders fehlt. Ich kann mich an meine eigene Schulzeit erinnern, da gab es Sprachlabore, nur wenige Jahre alt und schon nicht mehr zu gebrauchen. Teilen die Computer irgendwann dieses Schicksal?
    Was die Lehrer angeht: ja, es gibt schlechte. Es gibt aber auch viele gute, und mittelmäßige, wie in jedem anderen Beruf auch. Nur komisch, dass es nur in diesem Beruf so auffällt. Und jeder es besser zu können meint…dabei hat es sicher einen Grund, weshalb man die Leute 5 Jahre zu Uni geschickt hat, bevor man sie auf die Kinder loslässt, vielleicht kann man sie dann ja auch alles Experten betrachten? Seufz…
    Alles Liebe!

    • Den Digitalpakt sehe ich ein bißchen zwiespältig. Wer soll all die Computer betreuen, die die Schüler an die Hand bekommen sollen? Ich weiß, was es bedeutet Computerräume zu verwalten. Jedes Firma hat einen Netzwerkadministrator. Schulen haben einen selbstlosen Kollegen, der für 4 Ermäßigsstunden den ganzen Krempel macht, Kabel zieht, kaputte Geräte austauscht, auf das Netzwerk aufpasst. Und Schüler sind würdige Endgegner im Bereich
      Destruktivismus. Man müsste gute Leute einstellen, die für 1000 Computer zuständig wären, bei 1000 Schüler. Woher nehmen und bezahlen?
      Und dazu steht man als Lehrerlein da vor Klassen mit 30 Schülern und wundert sich, dass Geld da ist für Tablets aber keines für neue Lehrer, damit die Klassen kleiner werden.

  3. Fand ich als Lehrerin auch ganz schlimm, wieviel man selbst zahlen soll.

    Es ist vielleicht auch ein totaler Irrweg zu meinen, Schule müsse in der Krise so fortgesetzt werden wie wir sie kennen. Juul jatte mal vorgeschlagen, die Schule einfach mal 3 Monate zu schliessen und zu sehen was passiert. Wäre jetzt möglich gewesen.

    • Oh ja. Nichts würde passieren, gar nichts. Kinder verblöden nicht in drei Monaten. Ich glaube eher, die Verwaltung würde es nicht ertragen, dass die Lehrer dann auch nichts zu tun hätten. Es ist auch eine ABM-Maßnahme für uns.
      Jesper Juul mit seinen unkonventionellen Ansätzen wäre jetzt gut in dieser Zeit. Schade, dass er nicht mehr lebt.

  4. Vielleicht könnte man auch die Schüler bei der Verwaltung der Technik mit in die Verantwortung nehmen? So einbeziehende Pädagogik… und sie kennen sich oft ja eh super aus.

    • Das wäre sicher möglich. Doch ob das datenschutzrechtlich erlaubt ist, ist eher fraglich. Das sind teilweise Bereiche, die einen hohen Sicherheitsstandart haben. Da liegen Klausuren, Noten, Abiturarbeiten, die Manipulationsgefahr ist groß.

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